War ja ganz gemütlich in der Komfortzone die letzten Monate – aber die Frühlingssonne weckt die Lust auf Abenteuer. Da kommt das Hölloch gerade recht.
Mythen ranken sich um die flächenmässig grösste Gemeinde des Kantons Schwyz. Berge und Gewässer nehmen beinahe die Hälfte des Gebietes ein. Neben der Glattalp und dem Bödmeren-Urwald ist es vor allem das Hölloch, das Naturliebhaber in das abgelegene Tal lockt. So auch mich.
Im Gegensatz zu anderen Höhlen ist das Hölloch nur in der kälteren Jahreszeit sicher begeh- und erkundbar, da ansonsten Hochwasser herrscht. Ich nutze die Gunst der Stunde und melde mich für eine vierstündige Tour an. Ein Mittelding, denn von zweitägigen Expeditionen mit Biwakieren unter dem Berg bis zu kurzen Spaziergängen im gut ausgebauten Höhlenteil ist alles möglich. Ein bisschen Pioniergeist kommt immer auf.
Das passende Höhlen-Outfit
Nach einer kurzen Begrüssung werden unserer kleinen Expeditionsgruppe Höhlenoveralls, Helme mit Stirnlampen, Handschuhe und Gummistiefel ausgehändigt. Dann geht es los: Zügigen Schrittes bewegen wir uns vorerst im gut ausgebauten Teil der Höhle. Im Hölloch ist es mit sechs Grad Lufttemperatur stets angenehm frisch, egal ob draussen die Welt im Schnee versinkt oder die Sonne mit 30 Grad vom Himmel brennt wie an diesem Tag im April.
Dann wechseln wir in die Seitengänge. Erst einmal geht es steil nach unten über in den Felsen geschlagene Trittbügel. Mein Puls beschleunigt sich. Die Knie fühlen sich an wie Pudding, als ich die ersten zögerlichen Schritte wage. Meine latente Höhenangst wird soeben manifest. Tröstlich: Hinter mir ist gleich der Fels, herunterfallen geht also nicht. Meine erste persönliche Herausforderung gemeistert, geht es zu 80% geduckten Ganges weiter in die Tiefen der Höhle. Ich bin erstaunt, wie gut die Gummistiefel auf dem rutschigen Felsen halten. Bisweilen ist es unumgänglich, die Hände zu Hilfe zu nehmen, auf dem Hosenboden nach unten zu rutschen oder bäuchlings durch eine enge Passage zu robben.
Und plötzlich: Wasser
Wir kriechen tiefer und tiefer, als wir ein stetes Grollen bemerken. Erst vermuten wir dahinter eine andere Expeditionsgruppe, aber unser Guide belehrt uns eines Besseren: Wasser. Wir arbeiten uns in Richtung des Grollens vor, das immer lauter, ja ohrenbetäubend wird. Und siehe da: Unter uns bahnen sich plötzlich wuchtig und donnernd die Wassermassen ihren Weg durch die Gänge. Ein unglaubliches Schauspiel. Da sitzen wir eng aneinander gekauert auf einem kleinen Felsvorsprung und blicken dem tosenden Gewässer nach. Normalerweise sei diese Stelle trocken, erklärt der Guide. Wir schweigen ob der Naturgewalt. Das Hochwasser, das über die Jahrtausende die Höhle immer wieder geflutet hat, ist plötzlich greifbar.
An Seilen und Ketten angeln wir uns Schritt für Schritt wieder an die Oberfläche zurück. Mein Herz bleibt noch einmal stehen, als ich über einen kleinen, von einer Leiter überbrückten Abgrund kriechen muss. Der Hölloch-Wein beim abschliessenden Höhlenapéro schmeckt und tut unglaublich gut.
Über das Hölloch
Europas zweitgrösstes Höhlensystem (rund 200km bekannte Länge) wurde im Jahre 1875 von einem einheimischen Bauern entdeckt. 1905 begann der Ausbau des Höllochs zur kommerziellen Nutzung. Treibende Kraft dahinter war ein Zürcher: Hans Widmer. Die grossen Besucherströme blieben allerdings aus und die beiden Weltkriege liessen das Hölloch in Vergessenheit geraten. Der Höhlentourismus feierte in den 1950er Jahren ein Revival. Heute führen professionelle Guides auf ein- oder mehrtägigen Exkursionen durch das Naturspektakel. Touren können über die Trekking Team AG gebucht werden. Die gut ausgebildeten, kompetenten Guides begleiten kleine Gruppen mit einem Augenzwinkern und viel Wissen sicher durch die Höhlengänge.